Lesbarkeit von Texten im Web
Schriftgrößen und Layouts erzeugen Barrieren – ein subjektiver Bericht
Im Großen und Ganzen gestaltet sich die alltägliche Web-Benutzung für mich stressfrei. Sicher gibt es unzählige Zugangshürden und schlechte Benutzbarkeit, die erfahrene Benutzer aber recht einfach handhaben können. Aber in einem Punkt stehe ich mit dem Web unversöhnlich auf Kriegsfuß: Schriftgrößen!
Keine lesbaren Texte in Aussicht
Können Sie die Schrift auf den Screenshots lesen? Nun, ich gestehe, ich kann es nicht. Zumindest nicht angenehm ohne Anstrengung und Augenkrämpfe. Vielleicht könnte ich die Schrift lesen, wenn mein Webleseapparat all die Eigenschaften hätte, für die die Websites »optimiert« wurden. Nun, ich habe leider z.B. keine Auflösung von 800×600 Pixeln, für die viele der gezeigten Sites »optimiert« sind. Mit 1280×1024 stehe ich nicht alleine dar, werde aber von Webautoren alleine gelassen. Links und rechts auf dem Bildschirm sehe ich im Web für gewöhnlich leeren Raum oder, wenn der Webautor besonders gnädig ist, Werbebanner. In der Mitte dann Text in Fitzelschrift gestaucht in Winzigspalten. Vom Laptop, der 1900×1200 fährt, ganz zu schweigen.
Schon vor etwa einem Jahr schrieb ich: Vernünftig lesbare Texte im Web gehen gar nicht. Webautoren sollten sich nichts vormachen, schrieb ich, die üblichen Lösungen sind allesamt im einen oder anderen Fall praktisch unbenutzbar. Die Kommentare dazu waren aus meiner Sicht wenig erquickend – liebe Webdesigner, aus Nutzersicht ist mir egal, wem die Schuld an der Misere zugeschoben wird. Mir geht es darum, dass das Problem als solches wahrgenommen wird. Als Webnutzer fordere ich einfach lesbare Schrift und allgemein zugängliche Informationen.
Zoom und Mindestschriftgröße
Soweit, so schlecht. Die übliche Entgegnung von Webautoren bei schwer lesbarer Schrift ist: »Man kann es nicht jedem Recht machen. Wer Probleme hat, kann's einfach bei sich umstellen.« Genau bei dem Versuch, unlesbare Typographie auf der individuellen Nutzerseite nachträglich zu reparieren, lauern die Probleme. Darum dieser Folgebeitrag.
Mein Opera-Browser bietet mir zwei essentielle Einstellungen, ohne die das Web für mich echt nicht gehen würde: Mindestschriftgröße und Zoom. Der Zoom ist zudem relativ brauchbar, im Gegensatz zum IE 7, von der für meine Zwecke unbrauchbaren Text-Skalierung im Firefox ganz zu schweigen. Diese Browserfeatures kompensieren die Lesbarkeitsprobleme zu einem großen Teil, aber Spaß macht das Web dadurch trotzdem nicht.
Was ist an Mindestschriftgrößen doof? Nun, Christian Montoya bringt es auf den Punkt: I’m enlarging my text, breaking your layouts. Festgezurrte Layouts finden Verbreitung, die jedem Textcontainer eine feste Höhe zuweisen. Eine angenehm lesbare Mindestschriftgröße führt zu einem lustigen overflow
, wodurch sich Boxen und gegebenenfalls Texte überlagern. Findige Webautoren wissen dies mit einem overflow:hidden
zu verhindern. Geschickt, denn damit verschwindet der Text einfach ganz.
Außerdem nivellieren Mindestschriftgrößen die feinen typographischen Unterschiede, mit denen Site-Autoren die Dokumentstruktur herausgearbeitet haben. Bei einer Mindestschriftgröße von 13 Pixeln wird 10, 12 und 14 Pixel großer Text nahezu gleich groß dargestellt. Bei manchen Sites werden dadurch Überschriften, Fließtext und Unwichtiges in ihrem Aussehen gleichgemacht, was die Benutzbarkeit stark beeinträchtigt.
Der intelligente Zoom wirkt bei fast allen Layouts, ohne sie zu zerschießen. So ist die Plus-Taste bzw. Steuerung plus Mausrad eine meiner häufigsten Eingaben beim Websurfen. Genervt bin ich trotzdem, dass mich unzählige Websites dazu zwingen, den Zoom zu verwenden. Solange ich auf einer Site mit konstanter Gestaltung bleibe, ist das weniger das Problem, nur ist der Clou am Web gerade, dass man schnell zwischen verschiedenen Sites hin- und hernavigiert. Jede davon bringt ihre eigene Typographie mit und benötigt eine andere Zoom-Einstellung. Das erfordert ständiges Neuzoomen und Zurücksetzen des Zooms über die Sternchen-Taste.
Nun bin ich vergleichsweise ein erfahrer Power-User und kenne die technischen Kniffe, mit denen ich die prekäre Lesbarkeit für mich etwas abzumildern weiß. Aber, so auch mein Fazit vor einem Jahr, wenn bei mir solche Schwierigkeiten lauern, wie sieht es dann bei der vielfältigen Masse der Webbenutzern an?
Vielseitige Layouts und effiziente Raumnutzung
Nun geht es hier nicht um die Wahl der »richtigen« Schriftgröße und die Lesbarkeit von Webtexten, sondern um eine passende typographischen Gestaltung und überhaupt das ganze Layout, in das Texte verpackt werden. Auch dieses Mal will ich keine apodiktischen Empfehlungen geben, nur diese Bitte: Denk euch bitte etwas aus! Mein Web-Erlebnis leidet ungemein und das lässt mir keinen Frieden.
Auf meinem Bildschirm ist mehr als genug freier Platz, der nur darauf wartet, von Web-Layouts ausgereizt zu werden. Ideen für anpassungsfähige, flexible Layouts existieren. (Jetzt bitte nicht wieder die üblichen Vorurteile herauskramen, ich rede nicht von unkontrolliertem, unvorhersehbaren Textsatz fern von ausgewogenem Design, ganz im Gegenteil.) Es besteht angesichts der vielfältigen, nach oben weit offenen Pixelbreiten kein Grund, für Auflösungen zu »optimieren«.
Es ist nichts gegen effiziente Raumnutzung einzuwenden, aber es tut selten Not, möglichst viel Informationen auf möglichst kleiner Fläche zusammenzudrängen. Die Flächen, für die man theoretisch designen könnte, sind gigantisch groß und werden immer größer – und zwar von der Pixelbreite, weniger von der tatsächlichen Fläche eines Pixels auf dem Display. Drastisch formuliert haben zahlreiche Webautoren die Realität verschlafen: Einerseits steigt die Verbreitung von hochauflösenden 16:9-HDTV-Monitoren und andererseits »optimiert« man weiter auf eine Pixelbreite (meist auf eine kleine, aber die »Optimierung« auf eine größere wäre nicht besser) und regelt Schrift auf bestimmte Größen herunter (meist auf ultrawinzige, doch eine größere löst das Grundproblem ebensowenig).
Ist eine Lösung in Sicht?
Gut, im Anschluss an diese Äußerungen werden mir alle an den Hals springen, die vehement an »Optimierung« festhalten, womöglich ohne groß auf die Argumente der Artikelreihe einzugehen. Tatsächlich gibt es einige gültige Punkte für die klassische Arbeitsweise bzw. zumindest plausible Erklärungen für deren Verbreitung. Auch Voraussetzungen und Schwierigkeiten beim Umstieg wurden bereits im Zuge der vorherigen Artikel angesprochen.
Aber darum sollte es hier nicht gehen, sondern lediglich um die Schilderung meiner tagtäglichen Erfahrungen beim Webzugang. Fest steht, dass sich diese nicht von selbst bessern werden.