Aloha ;)

These: Die Sprache des Webs ist Englisch!

„Jeder kann heute Englisch!“

„Es gibt die MDN und die ist besser!“

„Ich persönlich geh' auf StackOverflow!“

„Wer so wenig Englisch kann, dass er im Forum nachfragen muss, versteht unsere Tutorials eh nicht.“

Zwei dieser Zitate kommen mir sehr bekannt vor - sie stammen von sehr unterschiedlichen Sprechern so oder so ähnlich.

Das letzte halte ich für eine Überspitzung, und letztlich für falsch - das Zitat unterstellt, dass die Englischkenntnisse gleichzusetzen seien mit Intellekt/Begriffsfähigkeit/Fachwissen. Das ist sicher nicht so.

Es ist mit Sicherheit so, dass es Menschen gibt, die man mit deutschsprachigen Tutorials gut erreichen kann, eben weil sie kein Englisch sprechen / nicht ausreichend Englisch verstehen / nicht ausreichend auf Englisch kommunizieren können.

Die Dokumentation ist damals entstanden, um Menschen das „Everyone is a publisher“ zu ermöglichen. Deshalb bietet SELFHTML seit 1995 eine Plattform für deutschsprachige Tutorials an und diesem Ansatz ist SELFHTML weiterhin verpflichtet.

Richtig! Das ist das Ziel, und unser Ziel stellt zugegebenermaßen schon eine Antithese zur oben vorgetragenen These dar.

Für Selfhtml als ehrenamtlich getragenen Verein ergeben sich da aber noch mehr Dimensionen. Es reicht nicht zu fragen, ob wir eigentlich unser Ziel erfüllen oder nicht - man muss auch in den Blick nehmen, ob unser Ziel eigentlich geeignet ist, uns selbst zu erhalten.

Da stauen sich bei mir in letzter Zeit die Zweifel.

Selfhtml braucht, um wirklich gut zu sein, Fachleute, die eigenes Wissen beisteuern können und das auch tun. Für diese Fachleute trifft aber leider die These des englischsprachigen Webs durchaus zu - Fachleute gehören halt nicht (mehr) zu unserer Kernzielgruppe - das war 1995 noch anders, weil das Web jung und die Fachleute anders waren.

Unsere Zielgruppe, so wie du sie auch noch einmal formulierst, nämlich die Anfänger, egal ob sie als Schüler sehr jung sind oder als nicht mehr junge Leute trotzdem nicht viel Expertise in der Webentwicklung mitbringen, die sprechen wir sicher an.

Trotzdem sind in unserer Zielgruppe ja genau nicht die fachkundigen Aktiven zu finden, die wir als Verein zur Selbsterhaltung eigentlich dringend bräuchten.

Deshalb stehen wir als Verein an der Stelle, an der wir stehen, und ich möchte das einmal bewusst kritisch formulieren: Wir sind als Verein im Blick auf unsere Mitglieder im Wesentlichen…

…Lehrkräfte, die Interesse und Kenntnisse mit Elementarisierung haben, gleichzeitig aber nur über überschaubares professionelles Fachwissen verfügen und im Übrigen überhaupt selbst nur begrenzt beruflich von dem profitieren, was wir hier tun

…IT-Affine, die teils auch beruflich Programmierung und/oder Systembetreuung machen, aber keinen beruflichen Fokus auf Webentwicklung haben

…Webentwickler, die aus Zeitgründen oder weil sie unser Wiki für das falsche Format halten, nichts zum Wiki beitragen.

Und: Wir sind wenige. Ja, wir sind in den letzten Jahren mehr geworden - aber nicht unbedingt mehr Aktive, sondern unterm Strich eigentlich nur mehr Karteileichen. Das ist bitter, aber die Wahrheit - und: das ist bitte auf keinen Fall als Schmähung des Engagements des einzelnen Neumitglieds zu verstehen! Wir hatten in den letzten Jahren Neumitglieder, die im Moment einiges leisten, und das tun sie tatsächlich - nur sind im gleichen Zeitraum eine ähnliche Zahl Altmitglieder entweder ausgetreten oder in der Versenkung verschwunden.

Also: Ja, es gibt vermutlich immer noch Bedarf für SELFHTML. Es wird von einigen sicher auch heute noch gebraucht. Aber trägt es sich noch...?

Auch wenn heute jeder Englisch „kann“, gibt es doch einen Unterschied zwischen der rezeptiven Beherrschung der Sprache - wenn man gut Englisch lesen oder Serien im Originalton verfolgen kann - und dem professionellen Mastering. So ist das Studium von Fachliteratur, bzw. das Formulieren von Fragen auf Stack Overflow doch eine größere Hürde, wenn dies auch noch in der Fremdsprache erfolgen muss.

Du sprichst da einen richtigen Punkt an, der aber auch eine fatale Seite hat. Aus meinem obigen Umriss über unsere Mitgliederzusammensetzung kommt das ja auch schon heraus: Die, die SELFHTML schreiben, haben im Wesentlichen kaum bis keine eigene Profession in der Webentwicklung, in unsere Artikel fließt nur wenig eigene Praxiserfahrung ein.

Wir machen jetzt sein einiger Zeit etwas, das man auch mit "Übersetzen, Zusammenfassen und Elementarisieren" umschreiben könnte.

Und ja, daran besteht schon Bedarf - denn nicht jeder kann direkt an der Quelle lesen oder das verstehen - richtig.

Und daran haben wir uns jahrelang geklammert.

Wir erleben aber aktuell, dass KIs, insbesondere sprachbegabte KIs, rasant an Fahrt aufnehmen. Ich kann mir mit Bing mittlerweile Suchergebnisse durch die KI zusammenfassen lassen, ich kann mit ChatGPT in einem einzelnen Chat von Sprache zu Sprache wechseln und dabei immer gut verständliche Texte lesen.

Wir sind nur einen Wimpernschlag davon entfernt, dass diese neuen, innovativen sprachlichen Fähigkeiten von KI mit dem Wissen englischsprachiger Fachjournals oder Dokumentationen verknüpft werden - und dann ist das, was wir die letzten Jahre getan haben, auf einen Schlag abgewertet.

Und: das ist keine weit hergeholte Zukunftsvision, das gibts heute schon. Wer aktuell bereit ist, ein paar Euros monatlich zu investieren, hat das gesamte Wissen des Web in seiner Muttersprache zur Verfügung - und zwar mittlerweile dank KI nicht mehr in unverständlichem Kauderwelsch, sondern in bestem Deutsch, mit passenden Formulierungen. Okay, das gibts noch nicht kostenlos in jedem Browser. Aber wie lange kann das noch dauern...?

Heute scheint die Zahl der wirklichen Anfänger überschaubar bis nicht vorhanden.

Das kommt ja noch dazu... die Zahl der Anfänger nimmt ab, und zwar auch weil es heute für everyone is a publisher eben keine Frontend- oder Backend-Fähigkeiten mehr braucht.

Man muss als Webseitenbetreiber eh Geld in die Hand nehmen. Dann kann man auch ein Paket mit fertiger Blogsoftware nehmen, das ist nicht teurer.

Oder man weicht für seine "Publisher-Tätigkeit" eben gleich in die sozialen Netzwerke aus und zahlt nicht mehr mit Geld…

Implizit beinhalten die Fragen nach Relevanz und Zielgruppe auch immer die Frage, ob man nicht besser Schluss machen sollte. Ich hoffe, dass ich einige überzeugen kann, weiterzumachen und zumindest 2025 die 30 Jahre vollzumachen.

Puh, spätestens wenns Durchhalteparolen auf zeitlicher Basis („die 30 Jahre vollmachen“) braucht, dann ist das eigentlich ein Eingeständnis dafür, dass man nicht nur ein totes Pferd reitet, sondern, dass das Pferd eigentlich bereits skelettiert ist.

Und was ist das eigentlich für ein Mindset? „Wir wissen alle, dass wir früher oder später dichtmachen müssen, aber zumindest haben wir die 30 Jahre noch geschafft!“?!?

Hier möchte ich unseren Vorstand Janosch Zoller zitieren:

Ich möchte eigentlich mein Posting nicht im selben Atemzug wie diese Durchhalteparole genannt sehen - denn mein Posting war damals eigentlich in völlig anderem Geist verfasst.

Das war damals nämlich keine Durchhalteparole (a.k.a. „das Pferd ist tot“) sondern ein Betonen dessen, was das Projekt immer noch leistet (a.k.a. „das Pferd humpelt, aber läuft noch“).

Und ich möchte mir in diesen Dingen, die ich vor über 2 Jahren geäußert habe, auch nicht grundlegend widersprechen - nur hat sich in den letzten 2 Jahren einiges geändert, vor allem was meine Bewertung der Sachlage angeht.

Ja, wir haben mutmaßlich immer noch sehr viele Seitenaufrufe. Ja, wir haben immer noch viele Kleinspender. Also: gelesen werden wir noch.

Ja, wir machen immer noch Menschen glücklich, wir sind immer noch eine Bereicherung und ja: wir sind immer noch erhaltenswert.

Nur: Ich kann es offensichtlich nicht leisten, zu dieser Erhaltung beizutragen. Und genau genommen stehe ich da nicht alleine. Schön, dass wir in Kleinspenden schwimmen - aber wenn keiner Artikel mit eigener Qualität liefern kann, bringt uns das ganze Spendengeld nichts, und so viel, dass man damit große Sprünge machen kann, ist es dann letztlich auch nicht. Toll, dass uns Menschen brauchen - nur nicht so sehr, dass sie auch selbst bereit wären, Arbeit reinzustecken. Super, dass wir die Anfänger erreichen und damit unseren Satzungszweck erfüllen - nur blöd, dass unsere Satzungsautoren offensichtlich davon ausgegangen sind, dass der Verein damit auch naturgegeben aktive Mitglieder mit den benötigten Skills akquirieren wird, was offensichtlich eine Fehleinschätzung war.

Vielleicht ist es einfach die falsche Fragestellung, ob es SELFHTML noch braucht oder nicht - viel wichtiger wäre die Frage, ob sich SELFHTML noch selbst auf natürliche Weise trägt oder ob die Selbsterhaltung eigentlich nur noch mit Durchhalteparolen funktioniert. Oder in kurz: Lebt das Pferd noch und sollte weitergeritten werden, oder ist es schon längst tot und es hat nur von den Reitern noch keiner so richtig gemerkt?

Grüße,

RIDER

--
Camping_RIDER a.k.a. Riders Flame a.k.a. Janosch Albers-Zoller
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